Lebenseinstellung und Partnerwahl

Auszug aus dem Buch „Gewaltfrei, aber nicht machtlos, Erziehung mit Herz, Verstand und Führungskompetenz, Ennsthaler Verlag 2012.
Seiten 19-21

1.2. Lebenseinstellung und Partnerwahl

Der Traum vom Glück

Wir leben in einer Zeit, in der das Streben nach dem persönlichen Lebensglück einen sehr hohen Stellenwert eingenommen hat. Wir wollen ein glückliches Leben mit einem liebevollen Partner, erfüllter Sexualität, einem netten Freundeskreis, materiellem Wohlstand, Wellness und schönen Urlauben. Wir wollen uns ein möglichst großes Stück vom Glück abschneiden und prüfen es in den diversen Alltagssituationen mit der Frage: „Was habe ich davon?“

 

Was bedeutet gelungenes Leben wirklich? Für mich ist es nicht das permanente Streben nach mehr, sondern die Zufriedenheit mit dem was man hat, und sei es noch so wenig. Lebensschicksale sind sehr unterschiedlich. Wenn ich neidisch nach jenen schiele, die mehr haben als ich, die es schöner, bequemer, leichter haben, dann bestimmt der Frust mein Lebensgefühl. Es wird immer Menschen geben, die mehr haben, und welche die weniger haben. Wenn ich aber die vielen kleinen schönen Augenblicke wahrnehmen und mich über das Wenige freuen und dafür danken kann, dann lebe ich im Gefühl der Fülle, der Freude und der Zufriedenheit. Dann kann ich meine Aufgaben im Hier und Jetzt erfüllen und gelassen und konstruktiv an einer guten Zukunft bauen.

 

Mangelnde Vorbilder

Immer weniger junge Menschen können heute auf das Vorbild ihrer Eltern zurückblicken und sich sagen „ja, so wie meine Eltern möchte ich auch einmal Beziehung leben“. Wir tragen die Sehnsucht nach einer glücklichen Paarbeziehung und einem harmonischen Familienleben in uns und holen uns die Modelle aus Film und Fernsehen, basteln uns ein inneres Traumbild zusammen, das häufig von sehr hohen Erwartungen geprägt ist. Unser Partner oder Partnerin hat die unausgesprochene Erwartung „mach mich glücklich!“ zu erfüllen. Er oder sie verkörpert die Projektion unserer Sehnsüchte, an der ein realer Mensch praktisch nur scheitern kann. Umgekehrt erheben wir den Anspruch „nimm mich so wie ich bin!“ mit all meinen Fehlern und Schwächen – die legitime Ursehnsucht jedes Menschen, die seit unserem ersten Atemzug in uns lebt.

 

Viele Menschen leben in Bezug auf ihre Erwartungen wie naive Kinder, mit einer gehörigen Portion Egoismus und sind enttäuscht, wenn die Rechnung nicht aufgeht, wenn der andere nicht „mitspielt“. Nach der schönen Zeit der ersten Verliebtheit, wenn wir langsam die rosarote Brille abnehmen, stellt sich die entscheidende Frage: Können wir einander annehmen, so wie wir wirklich sind? Sind wir bereit, an unserer Beziehung zu arbeiten um daraus eine echte Partnerschaft und eine tragfähige Basis für unser Familienleben zu machen?

 

Moderne Partnerwahl

Klug ist, wer sich solche Fragen schon im Vorhinein stellt, seine Partnerwahl nach tieferen Werten orientiert und sich nicht überstürzt in Beziehungen einlässt. Wer spannende Abenteuer sucht und sich vorrangig von den „Schmetterlingen im Bauch“ leiten lässt, wird häufiger in Zufallsbeziehungen hinein stolpern und immer wieder Enttäuschungen erleben. Vielleicht hat man dann bereits ein oder mehrere Kinder in die Welt gesetzt. Wollen wir unseren Beziehungsfrust nicht in die nächste Partnerschaft mitnehmen, ist es sehr wichtig, dass wir uns Zeit für unsere Trauer nehmen, das Geschehene aufarbeiten und unseren eigenen Anteil am Misslingen eingestehen – nur so können wir als reifere Menschen in eine künftige Partnerschaft gehen, die grundsätzlich in Patchwork-Familien von Start weg um eine Nummer schwieriger sein wird. Beziehungsarbeit ist gefragt! Wer das nicht wahr haben will, dem wird das Leben immer wieder neue Enttäuschungen bringen.

 

Selbstverwirklichung und Selbstüberwindung

Noch eine Bemerkung zum Zauberwort Selbstverwirklichung, dem anspruchsvolle moderne Menschen einen hohen Stellenwert beimessen. Es wird häufig ausschließlich mit Erfolg haben und individueller Entfaltung entfalten assoziiert. Mit Erfolg lässt sich’s leicht leben! Aber welchen Stellenwert haben Rücksichtnahme und Verzicht? Was ist aber mit unserem Versagen, mit Schwierigkeiten und Schicksalsschlägen? Echte Selbstverwirklichung beginnt für mich erst dann, wenn ich auch bereit bin, die Schattenseiten des Lebens anzunehmen.

 

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