Die Milchschnitte
Wie fest sollen Grenzen sein? Wie viel Spielraum und Toleranz sind angemessen? Wann und wie sollten wir einschreiten? Hier ein Fallbeispiel beim Naschen.
Verena, 7, hat ihre tägliche Milchschnitte schon gegessen, am Nachmittag bekommt sie jedoch wieder Appetit. Die Mutter sagt nein.
Verena sieht nicht ein, dass eine Milchschnitte pro Tag reicht. Sie öffnet vorsichtig die Kühlschranktür. Die Mutter beobachtet sie dabei, will aber nicht unnötig „keppeln“. Na ja, schließlich hat sie ja nicht verboten, die Kühlschranktür zu öffnen. Verena ihrerseits, die Mutter aus den Augenwinkeln heraus beobachtend, fängt an, danach zu greifen. Außer: „Verena, du weißt, du darfst das jetzt nicht essen!“ unternimmt sie jedoch nichts. Schließlich hat sie ja nicht verboten, die Milchschnitte anzugreifen. Als ihre Tochter aber anfängt, hineinzubeißen, reißt der Mutter die Geduld und sie schimpft heftig drauf los. Zimmerarrest, wird angeordnet. Das Kind heult und schimpft: „Du blöde Mama!“ Die Situation eskaliert.
Unnötiges „Katz’ und Maus-Spiel!“
Auf die Frage, warum die Mutter dieses „Katz’ und Maus-Spiel!“ so lange zugelassen hat, meint diese: „Ich habe ihr ja nicht verboten, die Kühlschranktür aufzumachen, sondern nur, die Milchschnitte zu essen. Da kann ich doch nicht schon vorher einschreiten!“ Warum eigentlich nicht? Die Toleranz der Mutter wurde von Verena als heimliche Zustimmung gewertet und als Test für die Festigkeit der Grenzen. Unser Handeln ist gefragt, sobald wir die provokante Absicht eines Kindes merken.
Kinder wollen wissen, ob die Grenze wirklich ernst gemeint ist.
Die ersten mahnenden Worte der Mutter klingen zu lieblich und werden offensichtlich nicht als STOPP wahr genommen. Wenn danach plötzlich eine Drohung folgt, klingt das böse und inspiriert eher zu einem „und jetzt erst recht“.
Wehret den Anfängen!
Sobald Sie Anzeichen merken, dass das Kind eine Grenze übertreten möchte, ist konsequentes Reden und vor allem Handeln gefragt. Hier ist Toleranz der falsche Ansatz! Gleich, wenn die Mutter Verena beim Aufmachen der Kühlschranktür beobachtet, genügt es, die Situation klar, aber unmissverständlich anzuprechen: „Ich merke, dir fällt es schwer, mein Verbot zu akzeptieren. Ich möchte, dass du dich daran hältst, auch wenn es schwer fällt. Bitte mach die Kühlschranktür wieder zu!“ Sie können einen Kompromiss anbieten: „Gibt es sonst etwas, was dir Freude machen könnte?“ Ihr Kind soll spüren, dass es Ihnen nicht um Willkür geht, sondern dass sinnvolle Verbote oder Vereinbarungen eingehalten werden.
Maria Neuberger-Schmidt