Kaum können sie greifen und krabbeln, sind Babys schon zu „Unfug“ bereit. Kann man ihnen schon Regeln beibringen? Immer wieder höre ich, dass man Babys nicht erziehen kann und auch nicht soll, um ihre freie Entfaltung nicht zu behindern.
Nun kommt es ja wohl wirklich darauf an, was man denn unter „Erziehung“ versteht. Ist Erziehung ein Dressurakt, damit sich mein Kind wunschgemäß verhält? Da sage ich nein. Erziehung ergibt sich für mich durch jegliche Art von Interaktion zwischen mir und meinem Kind. So gesehen, kann man gar nicht „nicht erziehen“. Immer üben wir einen Einfluss auf unsere Kinder aus, ob wir das wollen, oder nicht, ob wir gewähren lassen oder „stopp“ sagen und vieles mehr. Die Frage ist nur, welche Art von Interaktion wir mit unseren Kindern pflegen und welche Art von Einfluss wir auf unsere Kinder ausüben wollen. Deshalb ist es so wichtig, sich dies bewusst zu machen und dafür Verantwortung zu übernehmen – eben zu erziehen.
Die wichtigste Erziehungsmaßnahme ist das Zuhören
Wie kann ich meinem Baby zuhören, wenn es doch noch gar nicht spricht?! Aber Sie können sprechen! Babys senden von Anfang an allerlei non-verbale Botschaften. Sie nehmen wahr, was Ihr Kind gerade bewegt. Einem Dritten gegenüber können Eltern das meist sehr gut beschreiben. Aber viele kommen nicht auf die Idee, es dem Kind zu sagen, sozusagen es zu „spiegeln“.
Was Sie an non-verbalen Botschaften von ihrem Kind vernehmen oder zu vernehmen glauben („kann es sein, dass du hungrig bist? …dass die Windel zwickt?“), das fassen Sie in Worte. Babys, denen aktiv zugehört wird, sind ausgewogener, weil sie sich geliebt, ernst genommen und verstanden fühlen. Sie lernen schneller zu verstehen, zu kommunizieren und sich zu entwickeln – weil sie mit Ihrer Hilfe ihre Emotionen und Eindrücke besser verarbeiten können.
Kann man Babys Grenzen setzen?
Wie kann man Babys Grenzen setzen, wenn sie doch noch gar nicht verstehen? Wir dürfen Kleinkinder nicht unterschätzen: Rein kognitiv können sie unsere Argumente nicht begreifen, aber deren intuitive und emotionale Bedeutung schon! Ihr Baby muss nicht die Gesetze der Masse und Schwerkraft verstehen, um herauszufinden, dass Bälle hinunter fallen und nicht hinauf, außer man wirft sie in die Höhe. Genauso kann es lernen zu akzeptieren, was Sie von ihm erwarten und was es keinesfalls tun darf. Allerdings erfordert dies Aufmerksamkeit, Konzentration und Geduld. Man darf Babys auch nicht zu viel zumuten, sonst erzeugt man Frust und Stress. Die goldene Regel lautet: so viel Freiheit wie möglich, so viel Grenze wie nötig. Der natürliche Spiel- und Entdeckertrieb Ihres Babys soll ja nicht unterdrückt werden.
Babys Perspektive in Worte fassen
Damit Ihr Baby Ihre Grenze besser akzeptieren kann, beschreiben Sie zunächst die Situation aus seiner Perspektive, damit es sich verstanden fühlt, in kurzen, einfachen Sätzen: „…es gefällt dir gar nicht, dass du diese Dose nicht haben kannst…, …dass du noch etwas warten musst, bis ich dich auf den Arm nehmen kann…, mit den Fingerchen essen ist besonders lustig, aber mit dem Essen herum kleckern, das geht nicht!“, „Striche auf die Tapete malen gefällt dir sehr … aber Malen darfst du nur auf dem Papier!“ „Ja, kleine Leute habe es schwer. Immer wieder heißt es nein!“ „Du weißt doch: Mami passt auf, dass dir nichts passiert!“
Konsequent reden und handeln
Baby braucht klare Worte und konsequentes Handeln, wenn Sie z.B. Ihr Baby „einfach“ stoppen, es so lange daran hindern, nach einem bestimmten Gegenstand zu greifen, bis es „aufgibt“ oder es konsequent hoch nehmen und weg tragen. Da dies oft für das Baby frustrierend ist und es vielleicht dabei brüllt, braucht es verständnisvolle Worte des Trostes und eine passende Alternative. Ihr Nein soll freundlich sein und darf auch spielerisch geübt werden. Um Babys zu „erziehen“ braucht es vor allem gute Rahmenbedingungen, die den Bedürfnissen des Babys entsprechen und eine möglichst „babysichere“ Wohnung, damit so wenig wie möglich Verbote ausgesprochen werden müssen. Ihr verständnisvolles Nein soll auch vermitteln: „Das mute ich dir zu!“ Ihre Festigkeit beim Nein gibt Kindern Sicherheit und sie lernen schneller, Grenzen zu akzeptieren.
Notwendige Handlungen im Vorfeld ankündigen
Viele Szenen lassen sich vermeiden, wenn wir dem Baby ankündigen, was wir vor haben, auch wenn es, wie gesagt, das anscheinend noch gar nicht versteht: „Jetzt muss ich dir die Windel wechseln. Komm, ab ins Badezimmer…“ „Jetzt musst du still halten, ich weiß das fällt dir schwer…“ „Oh, jetzt muss ich dir den Pullover über den Kopf ziehen, das magst du gar nicht…!“ Vielleicht warten Sie eine Sekunde, bis Sie Blickkontakt haben und sagen Sie: „Also, jetzt geht es los!“ In dieser Sekunde hat Baby Zeit, sich innerlich darauf einzustellen: der Widerstand schmilzt, der eventuelle Protest verebbt ganz rasch, oder er bleibt ganz aus. Kreative Eltern machen aus den notwendigen Maßnahmen ein Spiel und vielleicht hat Baby sogar Spaß daran.
Eigene Bedürfnisse mitteilen
Auch hier achten Sie auf den passenden Zeitpunkt und darauf, dass Sie dies ankündigen: „Und jetzt muss Mami unter die Dusche und du wirst ein Weilchen alleine sein. Hier hast du deine Lieblingsspielsachen und ich bin schnell wieder bei dir!“ Es geht darum, dass sich Ihr Kind ernst genommen fühlt und dass es von klein auf lernt, dass auch Mamis/Papas Bedürfnisse haben und dass es sich dadurch nicht vernachlässigt fühlt.
Auf solche Art und Weise entwickelt Ihr Baby die Bereitschaft und Fähigkeit, zu kooperieren – anders gesagt, Sie bekommen ein prächtiges, pflegeleichtes Kind. Diese Vorzüge dürfen allerdings nicht Selbstzweck sein, denn jedes Baby will so angenommen werden, wie es ist: auch und gerade dann, wenn es einmal schwierig ist und sich nicht wunschgemäß verhält. Ihr achtsames, liebevolles Verhalten macht gute Entwicklung möglich – nicht umgekehrt.
Maria Neuberger-Schmidt