Wie lassen sich gefährliche Situationen entschärfen?
David, 2, schnappt sich beim Frühstückstisch übermütig das scharfe Messer. Der Vater verlangt es zurück, David verweigert. Da nimmt es ihm der Vater gewaltsam aus der Hand. David heult. Der Vater lässt ihn ausweinen, dann geht er auf ihn zu, drückt ihn tröstend an sich und sagt freundlich: „Komm, was möchtest du essen?“ David kehrt zum Tisch zurück und isst erleichtert und artig weiter.
Machtkampf in Würde
Entschlossenheit zusammen mit Versöhnlichkeit sind positiv zu bewerten, weil der Vater aus seiner Macht und Liebe heraus gehandelt hat. Doch war die Aktion gefährlich und hatte auch etwas Demütigendes an sich, weil Gewalt die Würde verletzt. Wenn die Situation es zulässt, wäre es besser, dem Kind nochmals eine Chance einzuräumen, das Messer freiwillig herzugeben: „Ich sage dir, bitte leg es zurück!“ Entschlossenheit muss in Stimme und Blickkontakt liegen und es darf nicht zugelassen werden, dass David ablenkt oder davonläuft. Wenn das Kind noch nicht einlenkt: „Du hast die Wahl: du gibst es mir freiwillig oder ich nehme es dir weg!“ Nachdruck: „Dann kann es sein, dass wir uns verletzen. Das willst du doch nicht, oder!?“ Es ist es gut, ein paar Sekunden zu warten, denn das Kind braucht Zeit, um sich zu überwinden. Tut es das, ist die Wirkung viel größer, weil die väterliche Autorität weder Gewalt noch Gesichtsverlust enthält. Wenn nötig, kann der Vater noch zusätzlich motivieren: „Ich weiß, dass du ein guter, vernünftiger Bub sein kannst. Gib her!“
Auf Worte folgen Taten
Erst wenn auch das nichts nützt, muss die angekündigte Tat unverzüglich umgesetzt werden, auch wenn der Bub schreiend protestiert. In 99 Prozent der Fälle wird es nicht so weit kommen, besonders wenn Kinder wissen, dass Eltern meinen, was sie sagen. Ein Wort der Anerkennung ist wichtig, denn Nachgeben fällt niemandem leicht: „Du bist mein braver Bub!“ oder einfach: „Danke!” Besonders wenn es um den Machtkampf geht, muss immer die Liebe dabei sein.
Maria Neuberger-Schmidt